Erdbebenforschung ist Detektivarbeit

Fortschritt ist kein Selbstgänger: Man kann ihn bremsen oder beschleunigen, und man kann ihn natürlich auch steuern. Nehmen wir einmal die Erdgasförderung in Deutschland: Wir brauchen einerseits die Energie, die im Erdgas steckt. Andererseits wollen wir aber auch maximale Sicherheit – denn schließlich wohnen im eng besiedelten Deutschland Menschen direkt oberhalb des Fördergebiets. Wir müssen also sichergehen, dass die Förderung keine unangenehmen Folgen hat. Genau dafür brauchen wir eine enge Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern und Ingenieuren, denn es geht hier grundsätzlich um eine Technologie-Folgenabschätzung und ganz konkret um Risikomanagement.

Und um Detektivarbeit. Denn Erdbeben tragen keine Flagge: Wir können zwar schon kleinste Erschütterungen messen – aber die eigentliche Ursache müssen wir uns anhand verschiedenster Indikatoren erarbeiten. Dazu gehören natürlich erst einmal die offensichtlichen Hinweise wie etwa Stärke und Herdtiefe. Um aber auch zwischen natürlichen Ursachen und induzierten Erschütterungen – also solchen, die durch Eingriffe von außen entstehen – unterscheiden zu können, brauchen wir möglichst umfangreiche Kenntnisse über den tektonischen Aufbau unseres Untersuchungsgebiets. Und natürlich ein Netz hochempfindlicher Sensoren – wie etwa das seismische Überwachungsnetz der Erdgasproduzenten in der Norddeutschen Tiefebene. Ich konnte im Jahr 2012 die Weiterentwicklung des schon bestehenden Systems aus wissenschaftlicher Sicht begleiten und bei der Konzeption neue Ansätze integrieren, die uns sehr bei der Bewertung von seismischen Ereignissen geholfen haben.

Messen, wo’s drauf ankommt

Ein Beispiel: Früher hat man die Sensoren meist in der Nähe von Industrieanlagen installiert. Dadurch war einerseits keine vernünftige Beurteilung der Einwirkung auf die Wohnbebauung möglich, andererseits wurde die hochempfindliche Registrierung durch Industrieerschütterungen gestört. Heute hingegen installiert man Messstationen dort, wo die Menschen wohnen, und in deren unmittelbarem Lebensumfeld – also zum Beispiel direkt an und in Wohngebäuden, Rathäusern oder Schulen, die bei einem Erdbeben Schaden nehmen können.

Dennoch bleibt ein Problem: Diese Sensoren werden quasi „überfüttert“ – denn hier wirkt jeder vorbeifahrende Schwerlaster wie ein heftiger Erdstoß, jeder Purzelbaum im Kindergarten ist auf dem digitalen Seismogramm ablesbar. Darum haben wir dieses Erschütterungsnetzwerk (nach DIN 4150) um reine Oberflächenmessstationen im Freifeld ergänzt. So entsteht ein seismisches Ortungsnetzwerk mit Bohrloch- und Oberflächenmessstationen maximaler Empfindlichkeit – die aber in möglichst einsamen Gegenden stehen und in 200 Metern Tiefe wirklich diejenigen Erschütterungen messen, die uns interessieren. Das sind dann in den allermeisten Fällen Ausläufer von Beben an ganz anderen Orten der Welt, von den Fidschi-Inseln bis Tadschikistan. Aber ja, auch in Norddeutschland gibt es Beben. Dann aber eben in so großer Tiefe, dass wir sie zwar messen können, aber normalerweise nicht einmal spüren. Sie müssen sich das im Größenvergleich so vorstellen: Ein großes Erdbeben wäre etwa ein Ozeandampfer, ein kleines wäre ein Fischkutter. Und das, was wir hier täglich messen, entspricht dann dem Wellenschlag eines Ruderboots.

Zusammenarbeit von Forschern und Ingenieuren

Für die Erdgasproduzenten geht es einerseits um ein Beweissicherungssystem, das im Fall von etwaigen Schäden an Gebäuden dabei hilft, die Ursache zu identifizieren. Und anderseits auch um eine vertrauensbildende Maßnahme – darum sind alle erhobenen Daten öffentlich, transparent und nachvollziehbar. Zugleich stehen die Daten natürlich auch ganz klassisch der Forschung zur Verfügung: Je besser wir die Zusammenhänge verstehen, desto besser können wir damit umgehen. So werden in der Wissenschaft derzeit eine ganze Reihe von Kriterien diskutiert, wie man induzierte Seismizität nachweisen kann. Da für die Seismizität in der Norddeutschen Tiefebene viele dieser Herd-Parameter noch nicht bekannt sind, hilft uns das Netzwerk dabei, eine belastbare Datengrundlage zu schaffen.

 

Da hat sich die Zusammenarbeit mit DMT als ausgesprochen fruchtbar erwiesen: Das selbst entwickelte Safeguard-System von DMT steht für großes Know-how, saubere Messtechnik und verlässliche Performance. Die vollständige Automatisierung gewährleistet Behördenanforderungen wie die „unmittelbare Information“ bei einem Ereignis, aber auch die Anbindung an die Website www.seis-info.de, die jedem Einblick in die erhobenen Daten gewährt. DMT steht im Kontakt zur Wissenschaft, man sieht sich auf Konferenzen, man tauscht sich aus, da ist auch eine enorme Lernbereitschaft spürbar. Eigentlich sind wir alle in diesem Bereich eine Community, die gemeinsam daran arbeitet, immer besser zu werden.
 

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